Frank Bernstein, Konflikt und Migration.
Studien zu griechischen Fluchtbewegungen im Zeitalter der sogenannten Großen Kolonisation,
St. Katharinen 2004, 274 Seiten (Leinen)
ISBN 3-89590-148-2
Handelsinteressen sowie Übervölkerung und / oder Dürre rechnet die Forschung zu den hauptsächlichen Ursachen, Gründen und Motiven der sog. Großen Kolonisation der Griechen. Die Untersuchung zeigt jedoch, daß dieser Migrationsprozeß zu einem guten Teil durch politisch begründete Fluchtbewegungen charakterisiert ist, aktive wie passive, an deren Anfang eine politisch-soziale Desintegration stand. Mittels der komplementären Verständniskategorien miasma und katharmos, religiösen Konzepten für die Verletzung und Wiederherstellung der Ordnung, übersetzt Bernstein die so eigene Sprache der ktiseis von Syrakus, Rhegion, Kroton und Kyrene, prominenter Apoikien, die unser Bild von der sog. Kolonisationsbewegung maßgeblich bestimmen, und erschließt damit ein neues Verständnis von den Ausgangsverhältnissen in den Mutterstädten. Die Bluttat des Archias aus Korinth, die Auszehntung der Chalkidier, der Buckel und der sprechende Name des Achaiers Myskellos, Stottern und Heilung des Aristoteles Battos aus Thera, ihre Aussendung schließlich durch den delphischen Apollon, all diese konstitutiven Elemente der Gründungsgeschichten sind Konkretisierungen jenes Klassifikationssystems und chiffrieren inneraristokratische Auseinandersetzungen wie auch solche zwischen dem Adel und breiteren Schichten, erzählen jeweils von einem Konflikt, dessen Lösung nur die Trennung, heißt: die Migration ermöglichte.